England/Wales

07.06. Westen - Shrewsbury (90km / 484km)

Sigi: Das übliche englische Frühstück ist mir heute zu reichlich. Esse nur die Hälfte und werde später auch auf das Mittagessen verzichten. Nach fünf Minuten haben wir gleich eine Panne, die auch noch zu einem Unfall führt, der allerdings folgenlos bleibt. An der Ampel kippt der Hänger an einer Bordsteinkante (Linksverkehr!!). Er erklimmt die Kante zwar erst unbemerkt wie immer, kippt aber dann über den platten re. Reifen. Der Audi, dem die Fahne gegen den Wagen schlägt, fährt zum Glück einfach weiter. Ich dachte erst, der Hänger wäre gegen ihn gekippt. Das Flicken bietet mir Gelegenheit mich von dem kleinen Schock zu erholen. Katrin besorgt derweil etwas aus dem Krämerladen an der Ecke und beruhigt damit Ihre Nerven.

Stafford gefällt uns beiden sehr gut. Keine Kampfhunde zu sehen (Überraschung!!) und eine nette Fußgängerzone. Direkt am Anfang das Cafe Nero Typ "modern time" - nämlich so wie überall auf der Welt — aber von der netten Sorte. Ein Radständer direkt vor dem Fenster lädt geradezu zum Verweilen ein. Die Passanten, die unser Gespann bestaunen, sind natürlich auch gut zu sehen. Immer wieder waren in den letzten Tagen Ausdrücke wie "nice setup" zu hören gewesen. Vom Nebentisch spricht ein Mann Katrin an, während ich die Getränke hole. Er sitzt neben einem Rollstuhl. Er war früher in den 50er Jahren auch mit seiner Frau Tandem gefahren. Als das erste Kind kam gar mit Seitenwagen!!! Mit dem zweiten Kind wurde daraus ein Double-Sidecar (hintereinander)!!! Waren auch damals wohl extrem selten und er konnte sich nicht erinnern, wo die das Gerät her hatten. Auch Einkäufe wurden mit dem Sidecar transportiert.

Als wir durch die Fußgängerzone schlendern, spricht uns ein Passant auf den Anhänger an. Sie haben auch schon 15 Jahre einen Burley-(Kinder-)anhänger und mangels Kindern (vielleicht nur heute?) transportieren Sie darin ihre Hunde. Insgesamt sind es vor allem die älteren Leute (Damen), die auf das Tandem reagieren.

Dann waren wir in einem empfohlenen Fahrradladen "Henry Burton". Dort habe ich einen neuen Schlauch für den Hänger gekauft und neues Flickzeug. Im Laden standen sehr elegante Reiseräder, die den Namenszug des Besitzers tragen. Einen Katalog habe ich auch eingesteckt. Wir folgen dann den Wegangaben von Herrn Burton und sind die ersten 20km auch ganz zufrieden damit. Dann geht allerdings das Desaster los.

Rechts wird der Trailerreifen immer wieder platt. Eine undichte Stelle kann ich nicht entdecken. Also wieder rauf mit dem Rad und aufgepumpt. Das Aufpumpen wiederhole ich dann noch mehrmals.

Der erste Campingplatz, den wir ansteuern, liegt auf einem Berg vor Shrewsbury, hat weder Dusche noch Toilette, sodass wir weiter müssen. Die Wegbeschreibung zum nächsten erweist sich zwar als nicht grundsätzlich falsch, aber nur was die Richtung angeht. Die Entfernungsangaben sind total untertrieben. Besonders böse, wenn man so kaputt ist wie wir und dann, kurz vor dem Ziel doch noch den Schlauch wechseln muss. Die Luft hielt mittlerweile keine 15 Minuten mehr. Merde!!

ZeltplatzZeltaufbau, duschen, einkaufen — das übliche. Der Supermarkt liegt direkt am Platz — wenigstens etwas. So kommen wir dann um 22:00 Uhr endlich zum Essen.

Der Lenker war nach erneuter Einstellung zwar viel besser, aber so ganz optimal ist es immer noch nicht. Das Griffband ist zudem eindeutig Mist. Die Sättel könnten zudem mal nachgespannt werden. Die letzten 10 Kilometer habe ich mir in den letzten Tagen immer wieder an der gleichen Stelle einen Wolf gefahren. Morgen werden wir wieder einen Pausentag einlegen. Sozusagen am Tor zu Wales. Dem Wolf wird es gefallen :-). Damit sind wir 1-2 Tage hinter unserem Zeitplan - allerdings nur gefühlt, wie auch der Zeitplan. Bleiben also 8-10 Tage für Wales.

Katrin: Gegen zehn aufgebrochen auf der grünen Straße. Ziemlich schnell wieder angehalten, da an der Ampel beim Rechtsabbiegen Hänger umgekippt. Tsetsetse, da hatte der Kapitän den Kantstein mitgenommen. Das Fähnchen ist gegen ein Auto geschlagen, aber das schien den Fahrer nicht weiter zu stören. Auf Bürgersteig gefahren zur Inspektion. Eine Deckelschraube verschrammt, und, oh weh, diesmal der andere Reifen platt. Etwas weiter bis zu einer Bank geschoben. Siegfried hat sich beim Abbau des Reifens den Finger blutig geschrammt und zwei Dornen im Mantel (aber nur ein Loch im Schlauch) gefunden. Die Mäntel des Hängers sind überhaupt recht dünn. Da dies schon die zweite Hängerreifenpanne war, beschlossen wir, doch nach Stafford hineinzufahren und einen Hängerersatzschlauch zu besorgen. Erstmal gab's dort jedoch eine Cafepause in einem modern eingerichteten Café am Anfang der Fußgängerzone. Das Tandem blieb gut sichtbar vor dem Schaufenster, so daß wir diverse neugierige Leute beobachten konnten. Eisschokolade mit Crushed Ice schmeckt nicht. Dafür saß am Nebentisch ein älterer Herr im Rollstuhl, der früher mit seiner Frau ein Tandem mit Beiwagen hatte, später wohl sogar mit zwei Beiwagen, für Tochter und Sohn. Er meinte, früher habe es viel mehr Tandems gegeben (deshalb freuen sich wohl vor allem ältere Leute, wenn sie uns sehen). Bei einem Busstreik sind sie dann auch mal mit dem Tandem zu einer entfernten Hochzeit gefahren und waren vor allen anderen da. Das schien sein aufregendstes Tandemerlebnis gewesen zu sein.

Weiter ging's über zwei Buchhandlungen, beide ohne Cymruradwegebuch (jaja, da dachten wir noch, wir schaffen es...) zu einem Radladen.

Während ich vor der Buchhandlung wartete, sprach mich ein ziemlich kleiner und ziemlich runder Mann an: "Is that a burley?" Er hatte wohl die gleiche Anhängermarke seit 15 Jahren aber noch nie einen anderen live gesehen. Seinen Kinderanhänger nimmt er für den Hundetransport.

Der Radladen war dann in einer kleinen Nebenstraße mit niedlichen Häusern. Siegfried hat eine Rahmenform des Händlers gelobt ohne sich bewußt zu sein, daß es Eigenbau war. Mich haben währenddessen zwei ältere westindische Damen ("Nice ride!"/ "I like your trousers." - normale kurze Radhosen) unterhalten, aber besonders zwei Damen in rosa. Die Tochter war weißgeschminkt mit schwarzen Augenrändern und einer schwarzen Kordelfrisur, die wie eine Mütze und einigermaßen nach zwanziger Jahre aussah, die ältere hatte kriselige, länger nicht mehr nachgeschwärzte Haare. Interessantes Paar und die ersten richtig exzentrischen Engländer.

Wir fuhren dann bei erstickend heißem Wetter anfangs die Strecke, die uns der Radhändler empfohlen hatte. Mittags futterte ich zwei kleine Baguettes mit Schinken, aber Siegfried hatte vor Frust keinen Hunger. Zu laut, zu heiß und zu unübersichtliche Beschilderung. Und der Anhängerreifen hatte sich nochmal geplättet ohne ersichtliches Loch. Nach der Mittagspause haben wir uns dann auch noch verfahren.

Es war weiter heiß und die Landschaft auch ganz nett, aber die Häuser nicht besonders interessant. Da ich zur Toilette wollte und außerdem unser Wasservorrat zur Neige ging, haben wir noch einen Pub aufgesucht, den wir nach vielen, eigentlich nicht sehr starken Steigungen (aber mit Tandem ist das irgendwie schwieriger - Schaltungskoordination muß man wohl lange üben - und bei Hitze auch), endlich gefunden hatten. Hatte eine Art Apfelschorle, ein Pint. Mmmmhhhh. Hände und Gesicht waschen war auch ganz nett. Am Nachbartisch futterten sie jede Menge mitgebrachten Kuchen und anderen Süßkram, alles fertig gekauft. Der Pub schien gleichzeitig eine Art Bowling-Clubhaus zu sein. Weiter ging's und wir hatten dann auch endlich bald den angepeilten Campingplatz kurz vor Shrewsbury gefunden. Oben angekommen auf einem sehr netten ruhigen grünen Hügel, den wir mit der Aussicht auf baldige Ankunft frohen Mutes heraufstrampelten, stellte sich dann heraus, daß er aber keine Duschen (nicht mal Toiletten) hatte. Er war nur für Wohnwagen. Das Schild unten an der Straße hatte aber eindeutig auch ein Zelt abgebildet.

Der Platzwart hat uns dann beschrieben, wie wir zum nächsten Platz kommen, der gar nicht weit sein sollte. Allerdings stellte der sich als wesentlich weiter weg und mit wesentlich mehr Steigungen auf dem Weg heraus als er uns das beschrieben hatte. Und wir hatten noch zwei Platten im Anhängerreifen auf dem Weg, den letzten direkt in Shrewsbury, wo Siegfried dann den neuen Schlauch einsetzte. Am Campingplatz waren wir dann erst so gegen acht. Es scheint eine Luxusversion zu sein. Nebenan liegt bequemerweise ein Supermarkt, der bis 22:00 geöffnet ist, was wir nach unserer Dusche auch gleich ausgenutzt haben. Zu Sigis Leidwesen gab es kein gegrilltes Huhn mehr. Ich hatte sowieso nicht so ein Hungergefühl, habe dann noch einen griechischen Joghurt geschnappt und wir haben sowieso völlig konfus sehr viel Essen unnötig gekauft.

Das ganze haben wir dann auf einer Bank vor dem Duschgebäudee verspeist. Lecker, mal wieder Brot mit Butter (und Honig). Luxus pur.

Der Coleslaw blieb dann für's Frühstück. Na ja, letzten Endes für's Mittagessen im Darwin Centre (nicht so was dolles wie es klingt - Einkaufszentrum) am Dienstag.

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